Ermordet und fast vergessen

Lena Diekmann - Bergedorfer Zeitung - 25.8.2017

Foto: BZ Lena Diekmann

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Ermordet und fast vergessen

GEDENKEN


Initiative erinnert an zwei Vietnamesen, die 1980 bei Brandanschlag an der Halskestraße starben


Von Lena Diekmann


Moorfleet. Es passierte mitten in Hamburg. Gerade einmal 37 Jahre sind vergangen, seit an der Halskestraße zwei junge Männer ihr Leben verloren. Doch es scheint, als wäre die Erinnerung daran völlig ausgelöscht. Nur bei einigen wenigen Menschen nicht. Die setzen sich dafür ein, dass der Tod von Nguyen Ngoc Chau und Do Anh Lan nicht vergessen wird. Einer von ihnen ist Michael Ostendorf, Pastor der Kirchengemeinde Moorfleet-Allermöhe- Reitbrook. „Es ist unsere Verantwortung, dass nicht vergessen wird, was hier in unserer Nachbarschaft passiert ist“, sagt der 54-Jährige.


Im August 1980 waren die beiden jungen Männer aus Vietnam nach Hamburg gekommen, mit der Hoffnung auf ein besseres Leben. Was sie fanden, war der Tod. In der Nacht zum 22. August verübten Mitglieder der terroristischen Neonazigruppe „Deutsche Aktionsgruppen“ an der Halskestraße einen Brandanschlag auf eine Unterkunft für Geflüchtete.


Der Anschlag ist völlig unterrepräsentiert


Etwa 240 Menschen sind damals in dem Gebäude untergebracht, das heute ein Hotel beherbergt. Die beiden Neonazis, ein Mann und eine Frau, werfen Molotowcocktails in ein Zimmer im Erdgeschoss, in dem zwei junge Männer aus Saigon schlafen. Es steht sofort in Flammen, Rettungsversuche durch andere Hausbewohner sind vergebens. Der 22-jährige Ngoc Chau Nguyen stirbt noch in der Nacht an seinen schweren Verbrennungen. Sein vier Jahre jüngerer Mitbewohner ringt neun Tage mit dem Tod, am Ende vergeblich.


Die Bilder eines ähnlichen Anschlags in Rostock-Lichtenhagen, der sich in diesen Tagen zum 25. Mal jährt, ist vielen Menschen präsent. „Doch der Anschlag aus der Halskestraße ist in der Öffentlichkeit völlig unterrepräsentiert“, sagt Michael Ostendorf.


Dabei war die Anteilnahme anfangs noch groß: 400 Trauergäste sind bei der Beisetzung da- bei, bei der Hamburgs Erster Bürgermeister HansUlrich Klose die Trauerrede hält. „Doch da- nach wurde das Thema schnell verdrängt, raus aus Hamburg“, sagt Michael Ostendorf.

Heute erinnert kaum noch etwas an die beiden Männer. Auch der Gedenkgottesdienst, den Pastor Michael Ostendorf im Juni organisierte und in dem Zeitzeugen teilweise das erste Mal öffentlich von ihren Eindrücken der Nacht berichteten, sei spärlich besucht gewesen. „Doch die dabei waren, waren sehr gerührt“, sagt Ostendorf.


Eine Gelegenheit, um an die beiden Männer zu erinnern, gibt es schon am kommenden Sonntag. Dann organisiert die Initiative, die sich für ein Gedenken an Nguyen Ngoc Chau und Do Anh Lan einsetzt, eine Kundgebung an der Halskestraße 72. Von 16 Uhr an soll es ein Gebet geben und Blumen niedergelegt werden.


Damit möchte die Initiative ein Zeichen setzen: Denn auch heutzutage werden Brandanschläge auf Flüchtlingsunterkünfte verübt und wird gegen den Einzug von Geflüchteten protestiert. Deshalb sei es wichtig, die Opfer aus der Anonymität zu reißen, ihnen Namen und Gesicht zu geben. Und dafür haben sie auch konkrete Forderungen: So soll die Straße nach Nguyen Ngoc Chau und Do Anh Lan benannt werden. Auch die Bushaltestelle, direkt vor dem einstigen Tatort, soll nach den beiden Männern benannt und eine Gedenktafel fest installiert werden, die die Ereignisse dokumentiert und an die beiden Opfer erinnert.


Auch bei dem Gemeindefest von Moorfleet-Allermöhe-Reitbrook, das am 3. September nach dem Gottesdienst auf der Wiese vor dem Moorfleeter Gemeindehaus gefeiert wird, sollen Vertreter der Initiative dabei sein. „Es ist wichtig, in Kontakt zu kommen und die Berührungsängste mit der Geschichte abzubauen“, sagt Michael Ostendorf.

 

Quelle: Bergedorfer Zeitung 25.8.2017