Abschied von Abi Korte

11.02.2003

Abi - Abraham - Bernhard Korte

Bei einer Gedenkveranstaltung im Sonnenland am 13.12.1987

Lange lebte er im Sonnenland: 

Abi Korte 


Wobei schon sein Name auf die eigene Lebensge­schichte hingewiesen hat. Denn eigentlich hieß Abi Bernhard. Aber in der Zeit der beginnenden Nazi-Diktatur durfte er sich seinen eindeutig jüdischen Vornamen noch selbst aussuchen und so entschied er sich für Abraham – kurz „Abi“. 


Später bekamen alle Jüdinnen den Zwangsvornamen „Sarah“ und alle Juden den Zwangsvornamen „Israel“. 


Nur Abi blieb Abi. Er trug diesen Na­men voller Stolz und – wie er selbst einmal sagte – als Marken­zeichen oder Orden. 


Er hat nie großes Aufsehen aus seiner be­wegten Lebensgeschichte 

ge­macht. Und er hat anderen auch nie Vorwürfe gemacht. In persön­lichen Begegnungen hatte er oft erzählt. 


Zu einem Vortrag vor ei­nem größeren Publikum kam es aber erst im letzten Jahr, als er mit zitternden Knien aber sehr sicherer Stimme im Rahmen der Ausstellung „Kirche-Christen-Ju­den in Nordelbien von 1933-45“ vor über hundert Menschen aus seinem Leben berichtete. Wer ihn kannte, weiß, wie er sprach: Voll eigener Betroffenheit, mit viel Witz und Ironie, mit großer Kenntnis der politischen und his­torischen Zusammenhänge und ausgesprochener eigener Mei­nung. Ihm zuzuhören ist immer ein Erlebnis der besonderen Art gewesen. Und gerade für junge Menschen, die diese Zeit – wenn überhaupt - nur aus Büchern kennen, war Abi ein toller Ge­sprächspartner. 


Im Sonnenland war er dabei. Besonders bei der damaligen Einweihung der Ge­denktafel für die ehemaligen Zwangsarbeiter der Firma Thie­ßen, die da stand, wo heute das Sonnenland ist. 


Er selbst wurde als Kind samt der ganzen Familie am Vorabend der Reichspogromnacht 1938 inhaf­tiert und kam in das 

Konzentrati­onslager Neuengamme. Später wurde die Familie auseinanderge­rissen und aufgrund einer fehler­haften Transportliste kam Abi nach Auschwitz. Dort musste er erst Panzerketten herstellen. Dann wurde er in das Krematori­um 5 versetzt, wo er von nun an die Leichen der ermordeten Men­schen verbrennen musste. 


Kurz vor der Befreiung des Vernich­tungslagers musste er sich mit auf einen langen Marsch machen, auf dem über 80.000 Menschen durch Hunger, Kälte, Krankheit oder Schwäche ums Leben ka­men. 


Abi hatte überlebt, wenn auch mit großen gesundheitlichen Problemen. Von diesen Erlebnis­sen war sein Leben geprägt. Sei­nen Lebensmut, seine Hoffnung auf Veränderung und seine sprü­hende Kreativität konnte das al­lerdings nicht beeinflussen. 


Leider müssen wir nun von ihm Ab­schied nehmen. Abi Korte ist am 11.2.2003 an den Folgen seiner vielen gesundheitlichen 

Beein­trächtigungen gestorben, die ihn im letzten Jahr noch dazu 

bewo­gen, aus dem Sonnenland weg in eine Parterrewohnung nach Öjendorf zu ziehen. 


Ich werde ihn vermissen und an ihn denken.


Pastor Michael Ostendorf

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