Aus unserem Gemeindeblatt „Uns Kirch“
Knoten
Fahnenmast
Schule Ochsenwerder
Foto: Michael Ostendorf
Liebe Leserin,
lieber Leser,
da gibt man sich noch so viel Mühe und doch verknotet sich da irgendetwas. Sei es ein Wollknäuel, ein langes Stromkabel, eine Leine, eine Schmuckkette, eine Angelsehne, Nähgarn oder etwas ganz anders. Knoten aufpulen ist eine langwierige Angelegenheit. Manchmal braucht man dazu irgendein Hilfsmittel. Und manchmal möchte man den Knoten einfach durchschneiden. Ein Knoten kann aber auch sehr nützlich und dekorativ sein. Ein einfacher Windsorknoten in der Krawatte beispielsweise oder der lederner Schmuckknoten um das Halstuch bei Pfadfinderinnen und Pfadfindern. Und dann sind da die notwendigen Knoten in der Seefahrt oder beim Klettern, mit denen man etwas sichern oder festmachen kann.
All diese Gedanken kamen mir spontan in den Sinn, als ich die Kinder von der Schule in Ochsenwerder abholen wollte und noch etwas warten musste. Da bei der Tischtennisplatte vor dem Fahrradstand gibt es einen Fahnenmast. Und daran dieses dünne Seil, das um die Halterung festgewickelt ist. Momentan gibt es keinen Zugang zu diesem Mast. Es wird ein neues Schulgebäude gebaut. Der Platz vor der Schule ist großräumig gesperrt.
Weil die Kinder noch auf sich warten ließen, betrachtete das Seil und die Umwicklungen etwas genauer und machte eine Handyfoto. Der Mast und das Seil wurde offensichtlich schon längere Zeit nicht mehr genutzt. Eine dünne Moosschicht hat sich gebildet. Aber irgendwie scheint mir diese Umwicklung ganz gekonnt zu sein. Fest! Und durch die lange bewegungslose Zeit scheint das Seil steif geworden zu sein. Nicht mehr neu. Nicht mehr so geschmeidig. Benutzt. Schmutzig. Fast vergessen. Und doch erfüllt es noch seinen Sinn.
Als dann die Kinder kamen, rückten diese Gedanken in den Hintergrund. Aber scheinbar waren sie nicht ganz verschwunden. Als ich das Foto auf den Rechner hochgeladen hatte, waren die Gedanken wieder ganz präsent: Auch im Übertragenen Sinn. Verknotungen, etwas, das man nicht mehr lösen kann gibt es nicht nur bei Tauen, Seilen, Ketten und Sehnen. Es gibt sie auch bei uns Menschen. In unseren Beziehungen. Diese Knoten können beides - fest verbinden und auch zu fest gezogen sein. Bei so manchem Problem möchte man den „Gordischen Knoten am Liebsten mit dem Schwert durchschlagen“. Wir ahnen aber, dass dann etwas ganz zerschlagen und kaputt ist. Deshalb versuchen wir es. Wir geben uns Mühe, den Konten zu lösen. Mit den Fingern, manchmal auch mit den Zähnen, mit einem spitzen Gegenstand oder ein Pinzette. Mit Geduld und Spucke! Mit Gewalt geht es nicht. Dann zieht sich der Knoten umso fester zu. Und dann gibt man es manchmal jemand anderem in die Hand und fragt: „Kriegst du das hin?“ Es lohnt sich in jedem Fall! Die Erleichterung ist spürbar groß, wenn der Knoten weg und das Seil ganz geblieben ist.
Für mich ganz persönlich ist Jesus so ein geduldiger Knotenlöser! Nicht mit Gewalt. Nein, mit Zuwendung, mit offenen Augen und Ohren. Und mit der Gewissheit, dass die Kraft und Liebe Gottes uns Menschen bewegen kann und will. Die Evangelien berichten von vielen Menschen, die in ihrem Leben und in ihren Rollen ganz und gar festgelegt waren: Sünder, Kranke, Ungläubige, Unreine. Unsichtbar festgebunden durch Regeln. Festgelegt auf einen Platz in der Gesellschaft. Aber außenvor! In der Begegnung mit Jesus löst sich etwas von diesen Festlegungen. Da macht der Glaube beweglich, heil und frei. Da finden Menschen einen neuen Beziehungspunkt, etwas woran sie sich festmachen können. Dafür geht Jesus diesen Weg der wehrlosen Gewaltfreiheit, der für ihn so gewaltsam ist. Jesus hält an der befreienden Liebe fest! Diesen Gedanken möchte ich in der Passionszeit weiter bedenken. Vielleicht nehmen Sie das Bild mit dem grünen Seil am Fahnenmast auch in Gedanken mit.
Ich wünsche Ihnen allen eine gesegnete Passions- und Osterzeit!
Ihr Pastor Michael Ostendorf
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