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Zufall-Kunst: Vernissage 2007

27/04/2007

Mümmelmannsberger Collagen 2004

Mein Beitrag zur Kunst- und Kultur in Mümmelmannsberg und der Zuordnung der dortigen Straßennamen

Mümmelmannsberg Fotos

Auswahl

Meine Lieblingscollage

Die Kandinskyalle mit Gemeindezentrums und Kandinsky auf seinem Bauhausbalkon in ein paar Bearbeitungsschritten.

Wassily Kandinsky auf dem Balkon seines Meisterhauses in Dessau, 1932

(C): Paris, Centre Pompidou-MNAMCCI-Bibliothque Kandinsky, Foto: bpk CNAC-MNAM Fonds Kandinsky

Impressionen

Aufbau und Vernissage in der SAGA GWG Geschäftsstelle

Grußwort zur Vernissage 25. April 2007 in der Saga-GWG Geschäftsstelle Mümmelmannsberg

von Michael Ostendorf


"Jede Erscheinung kann auf zwei Arten erlebt werden. Diese zwei Arten sind nicht willkürlich, sondern mit den Erscheinungen verbunden - sie werden aus der Natur der Erscheinungen herausgeleitet, aus zwei Eigenschaften derselben: Äußeres - Inneres. Die Straße kann durch die Fensterscheibe beobachtet werden, wobei ihre Laute vermindert, ihre Bewegungen phantomartig sind und sie selbst durch die durchsichtige, aber feste und harte Scheibe als ein abgetrenntes, im Jenseits pulsierendes Wesen erscheint. Oder es wird die Tür geöffnet: man tritt aus der Abgeschlossenheit heraus, vertieft sich in dieses Wesen, wird darin aktiv und erlebt die Pulsierung mit allen seinen Sinnen."


(Wassily Kandinsky "Punkt und Linie zu Fläche" Benteli Verlag Bern 9. Auflage 1955, Seite 13)


Mit diesem einleitenden Zitat von Wassily Kandinsky aus dem Buch "Punkt und Linie zu Fläche" möchte ich alle ganz herzlich begrüßen. Begrüßen zu einer für mich persönlich ganz aufregenden Sache - einer Vernissage, dazu noch meiner eigenen Bilder. Selbstverständlich

ist das für mich nicht. Kunst ist wie die Musik für mich ein Hobby oder eine Leidenschaft.


Nicht mehr und nicht weniger. Nun stehe ich heute hier vor Ihnen, weil aus einem kurzen Spaß Ernst wurde. Als nämlich Werner Vogel mich fragte, ob er für die Vorbereitung der Kunst- und Kulturtage Mümmelmannsberg 2006 in das Gemeindezentrum könne, antwortete ich kurz: "Wenn du mir zwei Meter Stellfläche gibst!" Die Antwort war ja. Und nun musste das gefüllt werden. Dazu waren meine Collagen gut geeignet. Aber so richtig getraut hatte ich mich nicht. Aber dann nahm doch alles seinen Lauf. Und immer wieder wurde mir die Frage gestellt, wie es zu diesen Bildern gekommen sei. Das möchte ich gern etwas

ausführlicher noch einmal beantworten.


Also: Im Sommer 2004 gab es einen großen Einschnitt in unserer Kirchengemeinde, der Ev.-Luth. Kirche in Steinbek. Die Anzahl der Pfarrstellen wurde nochmals reduziert. Und da alle drei Kolleginnen bzw. Kollegen aus Mümmelmannsberg weggingen, musste eine

Lösung gefunden werden. Ich wechselte also von Kirchsteinbek hinauf nach Mümmelmannsberg.


Mümmelmannsberg war mir nicht unbekannt, ich erinnerte mich an die Ausstellung "Kirche, Christen, Juden von 1933-1945", an der ich maßgeblich beteiligt gewesen bin. Und dennoch nahm ich Mümmelmannsberg nur begrenzt war. Nun war es Zeit die Grenze wahrzunehmen und zu überschreiten.


Äußerlich kam ich aus einem traditionellen Umfeld:

    •    mit einer Kirche

    •    mit Turm

    •    einer Uhr

    •    und Glocken


und ging in eine "Großraum-Neubausiedlung" der 70er:

    •    mit einem Gemeindezentrum

    •    ohne Turm

    •    ohne Uhr

    •    und ohne Glocken.


Einmal eine sofort von außen erkennbare Kirche zum anderen ein Gebäude, das oft als "Schwimmhalle" bezeichnet worden ist, und zu dem die Frage gehört: "Wo ist denn in Mümmelmannsberg eine Kirche?" Innerlich hatte ich die Last des Abschieds nach über zehn

Jahren in Kirchsteinbek und die Lust des Neuanfangs. Äußerlich kam einer aus Kirchsteinbek und das machte manchem Angst. "Was will der hier bei und von uns?" Zeitgleich waren Sparmaßnahmen aktuell.


"Will der und hier abwickeln?" Innerlich fasste ich eine ganz persönliche und tief greifende Entscheidung: "Ich will dahin!", was bei manchem Kirchsteinbeker auf großes Unverständnis stieß, weil man nach Mümmelmannsberg nicht freiwillig geht. Wirklich nicht? Doch! Und warum nicht!


Also machte ich mich im Urlaub auf den Weg. Zu Fuß und per Rad und immer mit Fotoapparat. Ich wollte mir ein Bild machen und genau hin sehen. Kunst ist in Mümmelmannsberg augenfällig. Da sind die großen XXL-Plakate an den Fassaden, da sind die Straßennamen, der Skulpturenhof und die vielen Bilder im Gemeindezentrum. In dem

Gemeindezentrum, das selbst durch einen Künstler, Hans Kock, gestaltet worden ist.


Wo so viel Kunst ist, muss es auch Künstler geben. Und tatsächlich: Es gibt viele Künstlergruppen und viele engagierte Menschen hier, die ihrem Mümmelmannsberg einen ganz gewissen Charme geben. Das ist zu spüren. Diese Menschen wollte ich gerne kennen lernen. Ihre Geschichten hören, mit ihnen leben. Und - da waren immer auch diese

Künstlernamen: Wassily Kandinsky, Paul Klee, August Macke, Johannes Itten.


Der Kontrast ist offensichtlich: Graue, unpersönliche Architektur - bunte eigenwillige Charaktere. Warum? Wie so diese Namen? Was steckt dahinter? Also ab in die Bücherhalle und gestöbert: Aha - Expressionismus. Das war mir bekannt. Rudimentäres Schulwissen

also doch nicht ganz unnütz. Ein paar Biographien mitgenommen. Da war ich für einige Tage in einer anderen Welt. Spannend war das. Die Menschen hinter den Künstlern zu sehen, Beziehungen wahrzunehmen, Abgründe zu sehen - den damaligen Aufbruch zu

spüren.


"Kunst gibt nicht das Sichtbare wieder, Kunst macht sichtbar!" 


(Paul Klee)


Ich wollte mehr sehen. Einen Tag Hamburger Kunsthalle. Da sind viele Bilder der Expressionisten. Eine tolle Sammlung. Faszination pur. Von dort hatte ich viele Fotos mitgebracht. Und die äußere Struktur der Straßen hat einen inneren Hintergrund. Der- oder diejenige, der sich diese Benennung ausgedacht hat, wollte etwas Hintergründiges mitteilen.


Mümmelmannsberger Expressionisten

Straßenanordnung

Er oder sie hat die expressionistischen Gruppen in Mümmelmannsberg abgebildet. Je mehr ich mich damit beschäftigte, desto mehr verstand ich die Zusammenhänge. Ja, selbst die Form und der Abstand der Straßen zueinander spiegeln die Beziehungen der Künstlerinnen

und Künstler wieder.


Da sind die Künstlergruppen

    •    Brücke

    •    Bauhaus

    •    Blauer Reiter

    •    und Blauen Vier (zumindest ¾ davon)


In allen Gruppierungen war Kandinsky aktiv. Er, der als Begründer des Expressionismus, sogar der Modernen Kunst gilt. Die Kandinskyallee ist diese verbindende und charakteristisch große Straße im Mümmelmannsberg. (Auf die Situation Durchfahrtstrasse nach Oststeinbek und U-Bahnbau möchte ich hier nicht eingehen.) Dem sind alle anderen Straßennamen der Künstlergruppen und Einzelpersonen zugeordnet.


Die Brücke mit Ernst Ludwig Kirchner und Max Pechstein.


Das Bauhaus mit Lyonel Feininger, Johannes Itten, Paul Klee und Oskar Schlemmer.


Der Blaue Reiter mit Franz Marc, Gabriele Münter sowie zeitweise Paul Klee und August

Macke.


Die Blaue Vier mit Lyonel Feiniger und Paul Klee.


Auch die Künstler, die keiner dieser Gruppen angehörten, standen in einem bestimmten Verhältnis, das sich auch wieder in der Mümmelmannsberger Straßenanordnung wiederspiegelt. So nimmt Gustav Klimt in diesem Zusammenhang eher eine Randposition

ein. Er war ein wichtiger Bestandteil der Wiener Sezession, zu der maßgeblich auch Max Klinger gehörte. Dieser wiederum beeinflusste in ihrer frühen Zeit Käthe Kollwitz.


In diesem Zusammenhang ist auch Edvard Munch zu nennen, dessen Nähe zu Kollwitz auch innerlich wahrnehmbar ist. Seine Darstellungen innerer Abgründe und Ängste, wie beispielsweise „Der Schrei“, den er 1902 mit der Berliner Sezession ausgestellt hatte, haben nachhaltigen Einfluss auf die Expressionisten gehabt.


Für Mümmelmannsberger Verhältnisse nimmt sie, Käthe Kollwitz, eine Sonderposition ein, da nach ihr der einzige Ring benannt wurde. Auch das eine bewusste Benennung, die die so genannte innere Emigration von Käthe Kollwitz während der Nazidiktatur darstellt und ihre

tiefsinnige, traurige und in sich selbst kreisende Persönlichkeit zeigt. Diese Zeit war für viele Künstler gravierend, da die Nazis sie als entartet bewerteten und beschimpften. Als eindrückliches Beispiel mag hier Wilhelm Lehmbruck gelten, der in unserer Straßenanordnung eine Nähe zur Blauen Vier aufweist, mit der er über die Freundschaft zu Alexej von Jawlenski Verbindung hatte.


Ein kleiner Hinweis zum Blauen Reiter sei mir an dieser Stelle noch erlaubt. In unserer Straßenanordnung dieser Gruppe nimmt August Macke eine Randposition ein. Vielleicht deshalb, weil er sich nicht so weit in die Abstraktion begeben hat wie beispielsweise Kandinsky. Ansonsten ist die Gruppe von Wassily Kandinsky und Gabriele Münter umrahmt, weil beide eine enge persönliche und intime Beziehung verbunden hat und für diesen Kreis große Bedeutung hatte.


Mit diesen Geschichten und Bildern in mir ging es wieder los. Nun sah Mümmelmannsberg für mich ganz anders aus. Ich stand an der Feiningerstraße bei der großen Baukuhle vom teilabgerissenen Parkhaus und das Straßenschild stand da einsam und verlassen:

"Feiningerstraße". Plötzlich sah ich den "Weißen Mann" von Feininger durch die Straße gehen. Natürlich nicht wirklich, sondern innerlich. Ich ging weiter, fotografierte, redete mit Menschen, die ich gerade kennen gelernt hatte und hatte dabei diese Bilder im Kopf.


Zuhause lud ich die Fotos auf den Rechner. Und dann war die erste Collage da. Den "Weißen Mann" kopiert und den Straßennamen Feiningers freigestellt (so nennt man das Ausschneiden aus einem Bild am PC) und herein kopiert. So ist die erste Collage entstanden. Die anderen folgten dann kurz aufeinander. Kandinsky auf dem Bauhausbalkon kam in seine Allee, die Künstler der Brücke um Ernst Ludwig Kirchner holte ich aus dem Atelier und stellte sie an die U-Bahnstation. Andere Werke brachte ich zusammen mit der

Kunst vom Skulpturenhof. So sind die Collagen ein Ausdruck meiner Gemeinde- und Stadtteilerkundung geworden. Es ist situationsbedingte Kunst und legt den Wert auf innere Zusammenhänge, weniger auf ein perfektes Äußeres.


Mit meinen Mitteln wollte ich die Künstler des Expressionismus inhaltlich mit Mümmelmannsberg in Beziehung setzen. Die Collagen, das hört sich jetzt vielleicht etwas hochgestochen an, sollten für mich ein sichtbarer Ausdruck des jeweiligen Künstlers werden, der ansonsten nur durch die kleine Inschrift an den Straßenschildern erkennbar gewesen wäre.


Das hat Kreise gezogen. Bei meiner Arbeit an den Bildern guckten meine Kinder oft über die Schulter. Die bunten quadratischen Formen von Piet Mondrian hatten es ihnen angetan.


Und plötzlich kamen sie mit „Lego-Kunst“, die das Bild darstellen sollte, zu mir. Und auch bei den Kunst- und Kulturtagen 2006 fanden diese Collagen Anklang. Und nun sind sie ab heute hier zu sehen. Allen, die dazu beigetragen haben sei hier ganz herzlich gedankt! Ich freue

mich außerordentlich über diese einmalige Möglichkeit.


Und so möchte diese Rede mit einem Zitat von August Macke schließen:


"Wie der Mensch, so wandeln sich auch seine Formen. Das Verhältnis der vielen Formen untereinander läßt uns die einzelne Form erkennen. Blau wird erst sichtbar durch Rot, die Größe des Baumes durch die Kleinheit des Schmetterlings, die Jugend des Kindes durch das Alter des Greises. Eins und zwei ist drei. Das Formlose, das Unendliche, die Null bleibt unfaßbar. Gott bleibt unfaßbar. Der Mensch äußert sein Leben in Formen. Jede Kunstform ist Äußerung seines inneren Lebens. Das Äußere der Kunstform ist ihr Inneres." 


(August Macke)


Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Lego Mondrian

Spontan beim Spielen mit den Kindern gebaut

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