Pusteblume

Uns Kirch 27

Pusteblume

Ehemalige Streetart 

am Eichbaumsee 

Mädchen mit Pusteblume

Handyfoto: Michael Ostendorf 

Liebe Leserin,

lieber Leser,


für mich ganz persönlich ist an Sylvester ein randvolles Jahr zu Ende gegangen. Es gab so vieles zu erleben und zu erkunden. Eine neue Gemeinde, zwei für mich neue Kirchen, eine neue Region und viele neue Gesichter, denen ich nun so ganz langsam auch Namen zuordnen kann. 


Über die vielen freundlichen Kontakte und die viele Aufmunterung bin ich dankbar. Gerne bin ich hier bei und mit Ihnen - auch über die Grenzen der Marschlande hinaus - unterwegs. Und manchmal gibt es auf dem Weg etwas zu entdecken. 


So wie dieses kleine Mädchen. Gemalt auf einer Holzhütte zwischen Dove-Elbe und Eichbaumsee. Die Mütze tief ins Gesicht gezogen. Die Augen können kaum darunter herausgucken. In der Hand hält es eine Pusteblume. Und - wie es sich für ein Kind gehört - das Mädchen pustet. Es pustet und sät damit die Samen aus, die wie an einem Fallschirm wegfliegen. 


Als ich die Foto gemacht habe, war gerade Erntedank. Seit dem ist das Klima deutlich rauer geworden. Jetzt im Januar, da ich diese Gedanken aufschreibe, stürmt es. Äste brechen, Mülltonnen fallen um, vorderdeichs sind große Flächen überflutet, die Freiwilligen Feuerwehren müssen des öfteren ausrücken. Und auch das politische - gesellschaftliche - Klima ist angespannt. 


Die unglaublichen verbrecherischen Morde in Paris und anderenorts halten uns in Atem. 


Da wollen Menschen auch etwas säen: Zwietracht, Feindschaft, Gewalt! Und da, wo es ins eigene Kalkül passt, wird aus der Not und dem Leid anderer Profit geschlagen. Persönlicher Vorteil scheint wichtiger zu sein als das Leben von Menschen. Das ist erschütternd und lässt mich inne halten. Und wie so oft gibt es auf die aufkommenden Ängste und die damit verbundenen Fragen keine einfachen Antworten. 


Parolen greifen viel zu kurz und schlagen allzu schnell ins Gegenteil um. In unserer biblischen Tradition können wir das zwischen Palmsonntag und Karfreitag immer wieder mit nachvollziehen: 


Der Weg von „Hosianna“ zu „Kreuzige ihn!“ ist sehr kurz! 


Aber Jesus geht diesen Weg. Er weicht der unmenschlichen Gewalt nicht aus. Er bezieht Stellung und markiert damit den Platz Gottes bei den Menschen. Damit sind Unrecht und Leid nicht aus der Welt geschafft. Das nicht! Aber es ist klar, dass diejenigen, die Macht mit Gewalt ausüben, sich nicht auf Gott berufen können! Das mag vielleicht nicht das „Machtwort" sein, dass sich manche von Gott erhoffen. Und dennoch entfaltet es seine Wirkung immer wieder - neu! Wie die Saat der Pusteblume! Das mag der Grund sein, warum mir dieses Bild des kleinen Mädchens so gefällt: Selbstverloren spielerisch pustet es drauf los. Mir hat das früher auch Spaß gemacht! Ihnen auch? 


Ich wünsche Ihnen eine gesegnete Passions- und Osterzeit!

Michael Ostendorf