Kontakt | Gottesdienste | Presse | Texte | Grußworte | JuxX | Sitemap | Datenschutz |
Stellungnahme zum Zukunftsplan 2015
Plädoyer für einen liebevollen Umgang mit Liebenden
Michael Ostendorf
Havighorster Redder 46c
22115 Hamburg
Tel.: 040/71 60 33 32
Mobil: 0179/24 40 762
Email: pastor.ostendorf@kirche-in-steinbek.de
Hamburg, 19.1.2011
Lieber Matthias,
sehr geehrte Damen und Herren des Kirchenkreisvorstandes Hamburg-Ost,
sehr geehrte Pröpstin Fehrs,
liebe Mitarbeitende am „Zukunftsplan 2015“,
gerne möchte ich der Aufforderung Folge leisten und jetzt in dieser schriftlichen Form meinen Beitrag zur Diskussion um den „Zukunftsplan 2015“ leisten.
Bereits am 9.10.2007 hatte ich als Reaktion auf das damalige Hearing zum Fusionsprozess in der Wichern Schule einige thesenartige Gedanken formuliert. Mittlerweile gibt es nun den Kirchenkreis Hamburg-Ost und damit eine neue Struktur. Als Synodaler und Vorsitzender der Bezirksvertretung Wandsbek-Billetal versuche ich, mich konstruktiv in dieser Struktur zu bewegen und damit Verantwortung für zu treffenden Entscheidungen zu übernehmen. Manches, was ich damals geschrieben hatte, war der Versuch, Befürchtungen zum Ausdruck zu bringen und damit für einen inhaltlichen und formalen Umstrukturierungsprozess zugängig zu machen. Aus diesem Grund füge ich das damalige Schreiben noch einmal zu Kenntnis bei.
Mein jetziger Beitrag mag vielleicht neben dem Hauptstrom der auf dem Workshop am 17.1.2011 im Gemeindezentrum Mümmelmannsberg geäußerten Gedanken liegen. Und es ist meine ganz individuelle Wahrnehmung des Geschehenen. Deshalb wähle ich diese persönliche Form der schriftlichen Anregung ohne das in irgendeinem Gremium vorab zu besprechen.
Zu allererst möchte ich für das umfangreiche Papier als Diskussionsgrundlage danken. Da steckt viel Arbeit en Detail drin und es ist gut und richtig, sowohl die Voraussetzungen als auch die tiefgreifenden Konsequenzen einmal deutlich vor Augen zu haben.
Interessanterweise sind die hier erwogenen Hauptgedanken im wesentlichen, die, auf die sich meine damaligen kritischen Gedanken bezogen hatten. Das betrifft hier den großen Komplex der Gebäude und den Gedanken einer „Systemveränderung“. Für mich sind das zwei ganz entscheidende und sensible Themen, die letztendlich mit der Identität der jeweiligen Gemeinde vor Ort zusammen hängen.
Seit der Lektüre des „Zukunftsplanes 2015“ und dem Gehörten während des Workshops gehen mir verschiedene Gedanken und Bilder durch den Kopf, die ich gerne benennen und mit anderen Bildern kontrastieren möchte.
1.) Zum Untertitel des Zukunftsplanes 2015
„Konzeption und Strukturmaßnahmen für den Kirchenkreis Hamburg-Ost in seinen Regionen“ heißt es im Untertitel. Die Gemeinden werden hier als Bezugsgröße entweder wissentlich nicht benannt oder stillschweigend weggelassen. Beides empfinde ich als Mangel. Und gleichzeitig kommt gleich in der Überschrift ein Strukturmerkmal der gesamten Diskussionsgrundlage zum Tragen. Die Gemeinden werden nicht mehr ernsthaft als das „Gegenüber“ des Kirchenkreises gesehen und konzeptionell sind sie weder der formale noch inhaltliche Bezugsrahmen strukturverändernder Maßnahmen.
An die Stelle der Gemeinde ist sukzessive die Region getreten. Nun lese ich auf Seite 4 des Zukunftsplanes, Zitat: „Die Grundsatzfrage, ob überhaupt Regionen sinnvoll sind, um die Herausforderungen (s.o.) zu bewältigen, ist auf keinem der 4 Workshops ernsthaft gestellt worden.“
Zumindest in der Arbeitsgruppe, in der ich mit diskutiert hatte, wurde diese Grundsatzfrage doch ernsthaft gestellt. In vielen Gesprächen wurde der sinnvolle Nutzen der Regionen in Frage gestellt. Jetzt möchte ich sie persönlich noch einmal anregen. Hintergrund sind die bereits gemachten Erfahrungen und die Frage, auf welcher Ebene kirchliche Identität und der damit unabdingbarer weise verbundene inhaltliche und finanzielle Gestaltungsrahmen verortet ist.
Die Gemeinden haben seit dem ersten Einbruch bei den Kirchsteuerzuweisungen bis heute einen langen Strukturprozess durchgemacht und verantwortlich gestaltet. Die allererste Einsicht war, dass nicht mehr alle Arbeit flächendeckend ge(währ)leistet werden könnte. Daraufhin gab es die Aufforderung, sich doch über das eigene Profil Gedanken zu machen. Diese Profilbildung war wichtig und ist auch heute richtig. Sie war und ist aber auch mit inhaltlichen Entscheidungen verbunden, die zu schmerzhaften Abschieden und teilweise eben auch zur bewussten und verantwortbaren Aufgabe von Arbeitsbereichen geführt hat.
In die dann beginnende Regionalisierung sind viele Gemeinden dann mit diesem „neuen und geschärften“ Profil und dem damit verbunden „neuen“ Selbstbewusstsein“ gegangen. Das jetzt in einem weiteren Prozess wieder zur Disposition stellen zu müssen, war dann natürlich überhaupt nicht einfach. Es kam eher zu der Haltung „Jetzt haben wir uns doch gerade richtig aufgestellt und nun soll das alles wieder in Frage gestellt werden!“
Ein zweiter wichtiger Nebenaspekt ist die Erfahrung, dass die notwendigen Maßnahmen in den Gemeinden durchgeführt worden sind. Abschiede von Arbeitsbereichen wurden von Kirchenvorständen selbst verantwortet und nicht nur in der Gemeinde sondern auch im Stadtteil oder Ort gestaltet und kommuniziert. Als Beispiel sei hier die Schließung unseres Kindergartens im Gemeindezentrum Mümmelmannsberg genannt. Die Notwendigkeit der Schließung hatte verschiedene Gründe: Die Größe unserer Räumlichkeiten ließ keine veränderte Betriebserlaubnis zu, die durch die Kita Card notwendig geworden wäre. Vor Ort in Mümmelmannsberg gab es ein Überangebot (damals 140% Plätze im Verhältnis zu der Zahl der Kinder) an Kita Plätzen. Aufgrund der eingeschränkten räumlichen Möglichkeiten konnte kein erweitertes Angebot vorgehalten werden. Nach über einem Jahr mit Unterbelegung und dem damit verbundenen Zuschuss, den die Gemeinde zu finanzieren hatte, wurde das Kiga- und Gemeindekonzept geprüft und diskutiert. Am Ende stand die verantwortbare Entscheidung, diese Einrichtung zu schließen. Mit den benachbarten Kitas wurde ein Netzwerkkonzept erarbeitet, das bis heute Bestand hat.
Durch die Schwerpunktsetzung des damaligen Kirchenkreises Stormarn, der die Kindertagesstättenarbeit zur Priorität erhoben hatte, gab es dann für alle Gemeinden ein Umlage im Vorwegabzug. Das Gemeindezentrum Mümmelmannsberg zahlt seit dem diesen Solidarbeitrag, ohne selbst einen Nutzen davon zu haben. Auf diesen Fakt möchte ich an anderer Stelle nochmals zu sprechen kommen.
2.) Der „Pott“, das große Schiff und die Brücke
In der Einleitung des Workshops hatte Pröpstin Fehrs das Bild des „Pottes“ - eines großen Schiffes – benutzt, auf dessen Brücke der Kirchenkreis nun mehr Leitungsverantwortung (gemeinsam getragen!) haben solle. Solche eigenen inneren Bilder sind wichtig und hilfreich. Sie können helfen, Dinge einfach verständlich zu machen. Bilder sind aber immer auch Analogien. Das heißt, man muss sich über den Analogieschluss dann doch ganz konkret ins Einvernehmen setzen. Ich finde es hilfreich, das einmal an diesem Bild assoziativ zu versuchen.
Pott – Großes Schiff: Beeindruckend, kann viel auf einmal transportieren, gewaltig, erregt viel Aufmerksamkeit, braucht viel Energie um voranzukommen, ist schwer zu bremsen, braucht eine vertiefte Fahrrinne, ist mit kleiner Mannschaft und viel Technik zu lenken, ist auf Lotsen und Schlepper angewiesen, kann nicht jeden Hafen anlaufen, kann bei einem schwerwiegenden Defekt als Ganzes seine Funktion verlieren, nur die wenigsten können sich die Mitfahrt leisten…
Hier breche ich ab und beschreibe ein anderes Bild:
Große Flotte verschiedener kleinerer Schiffe: Können unter einer Flagge fahren, es gibt ganz unterschiedliche Bauarten für unterschiedliche Gewässer und Häfen, können nah ans Ufer, sind näher an den Menschen, sind nicht für den großen Auftritt im Hafen oder die Kreuzfahrt sondern für das Alltägliche, auf dem Schiff gibt es keine lange Entscheidungswege, manches geht auf Zuruf, für größer Aufgaben gibt es Konvois, kann man auch mit der Tageskarte das HVV nutzen…
Sicherlich sind diese Assoziationen beliebig veränder- und erweiterbar. Was aber vielleicht deutlich wird, ist, dass unterschiedliche Bilder, unterschiedliche Prozesse suggerieren. Das große Schiff verlangt nach einheitlicher Steuerung von der Brücke aus. Der Kapitän und die Offiziere habe das Wort. Der Flottenverband hat mehrere gleichberechtigte Kapitäne, die mal allein entscheiden aber manchmal auch lange über das richtige Vorgehen konferieren müssen. Mit diesen Andeutungen will ich es dann auch bewenden lassen. Aber ein nicht ganz ernstgemeinter sondern humorvoller Zwischenruf soll es dann aber doch noch sein. In EG 612 heißt es: „Ein Schiff, das sich Gemeinde nennt…!“
3.) Gut Ding will Weile haben
Aus meiner Wahrnehmung heraus überlagern sich verschiedene Prozesse, die mit ganz unterschiedlichen Geschwindigkeiten und Nachdruck versehen sind. Der „Regionalisierungsprozess“ steckt meines Erachtens noch ganz in den Anfängen. Aufgrund der vorbeschriebenen Erfahrungen wird deutlich, dass dieser Prozess Zeit braucht. Weder die formalen noch die inhaltlichen Möglichkeiten konnten in den Regionen bis jetzt wirklich ausgelotet werden. Für mich steckt dieser Mangel in der Natur der Sache. Gemeinsamkeit, eine neue Struktur und Synergieeffekte können nicht verordnet werden, sie müssen vor Ort ausgehandelt werden, sie müssen von innen heraus wachsen. Da viele Regionen (wie der gesamte Kirchenkreis Hamburg-Ost auch) in sich sehr heterogen sind, ist dieser Prozess sehr mühsam. Und es könnte am Ende auch ein Ergebnis sein, dass eine regionale Vereinheitlichung von Inhalten und Abläufen nicht wirklich gewinnbringend ist sondern tatsächlich mit Doppelstrukturen behaftet ist, die Zeit und Energie von den eigentlichen Aufgaben abzieht. Zum jetzigen Zeitpunkt kann hierüber meines Erachtens keine allgemeingültige Aussage getroffen werden.
4.) Nomen est omen
Die Umfirmierung von „Regionenworkshops“ zum „Zukunftsplan 2015“ zeigt nun sehr deutlich die Überlagerung verschiedener Herangehensweisen, Perspektiven und Inhalte an.
Es scheint nun nicht mehr allein um das Bemühen zu gehen, die innere Funktionsfähigkeit von Regionen in den Blick zu bekommen und mit Geduld daran zu arbeiten. Nein, die Regionen scheinen vermehrt zur mathematischen Bezugsgröße („Vehikel“!?) der Finanz- und Aufgabenverteilung zu werden. Im Bereich der Pfarrstellenberechnung ist das ja schon längere Zeit der Fall.
Offenbar reicht dieses Strukturelement aber noch nicht aus. Weitreichendere Maßnahmen scheinen auf Kirchenkreisebene angesiedelt werden zu müssen.
5. Gebäude
Dass die Anzahl Immobilen bei immer reduzierteren Kirchensteuereinnahmen ein massives Problem darstellen würden, ist nicht erst seit den Regionenworkshops bekannt. Diese Thematik wurde mehrfach im Fusionsprozess zum Kirchenkreis Hamburg-Ost benannt und deren gründliche Analyse angemahnt. Ich selbst hatte dazu damals in meiner dritten These einige Fragen und Gedanken ausgeführt. Gerne möchte ich das durch Zitat in Erinnerung rufen:
„Meine dritte These:
Die Nordelbischen Vorgaben im Fusionsprozess sind nicht starr sondern sie werden je nach inhaltlicher Ausrichtung von den Kirchenkreisen gestaltet und umgesetzt.
Während des Hearings wurde immer wieder gesagt: „Das sei Nordelbische Vorgabe!“ Mit zunehmender Dauer des Abends hat mich dieser gebetsmühlenartige Satz verärgert. Und als Vertreter einer Gemeinde habe ich die Frage, wie der zukünftige Kirchenkreis diese Vorgaben umsetzen will. Und welche Auswirkungen sie haben.
Beispiel: Vorgabe Baurücklage
In Zukunft wird eine Kirchenkreisbaurücklage angelegt werden müssen. Das bedeutet, sie wird von der Kirchensteuerzuweisung abgezogen werden müssen. Außerdem wird es eine Bauabteilung (wie groß? Mit welcher Ausstattung?) geben (müssen).
Dazu wurde gesagt: „Bauerhaltung sei Gemeindeaufgabe. Da wo Gemeinden das nicht mehr leisten können, würde der Kirchenkreis sie unterstützen.“
So weit so gut. Aber wie ist der Gesamtgebäudebestand in Hamburg-Ost? Und wie steht es mit der Möglichkeit der Gemeinden, ihre Gebäude selbst dauerhaft erhalten zu können? Wie ist es mit der inhaltlichen Auseinandersetzung um kirchliche Bauten als wichtige Symbole in Hamburg, ihrer Erhaltungswürdigkeit und dem Zusammenspiel mit dem Denkmalschutz sowie der Stadt Hamburg oder dem Land Schleswig-Holstein. Aus meiner oben geschilderten Erfahrung ist das ein riesiger und kostenintensiver Faktor, der uns in Zukunft in Diskussionen und Konflikte um Ressourcen und Standorte (Glieder am Leib) bringen wird.
Wurde sich über eine Größenordnung dieses Komplexes Gedanken gemacht? Und wenn ja, wie groß wird der zukünftige Vorwegabzug dafür ganz grob und ungefähr sein? Wie wird der Kirchenkreis agieren, wenn die Gemeinden größtenteils ihre Gebäude nicht mehr selbst sanieren bzw. erhalten können?
Auf diese Fragen gab es keine Antwort. Vielleicht ist das zum gegenwärtigen Zeitpunkt auch gar nicht möglich. Dann hätte ich aber zumindest einen Satz erwartet, der deutlich gemacht hätte, wir sind am Ball. Uns ist das bewusst. Wir wissen, dass euch das unter den Nägeln brennt. So bin ich aber mit dem Gefühl gegangen, für unsere Fragen gibt es kein konkretes Gegenüber. Die Verantwortlichen verstecken sich hinter den Nordelbischen Vorgaben. Schade: Hier wurde die Chance der Profilierung und Standortbestimmung der Leitungsebene vertan!“ Zitat Ende
Ich bin sehr dankbar, dass es jetzt konkrete Gedanken dazu gibt und Dr. Hoffmann diese auch ausführlich erläutert hat.
Zu einem Satz von Dr. Hoffmann möchte ich dennoch Stellung beziehen. Sinngemäß hatte Dr. Hoffmann gesagt, dass mit dem Mythos, der Kirchenkreis könne das regeln, jetzt aufgeräumt werden müsse. Ich frage mich, woher dieser Mythos kommen könnte. Aus meiner Wahrnehmung kommt er nicht von der Gemeindeebene, denn dort ist längst bekannt, wie viel Finanzmittel die Gebäude jeweils in den Haushalten ausmachen. Die Problematik ist längst bekannt und in den Gemeinden wird seit langer Zeit daran gearbeitet.
Um es ganz zugespitzt zu formulieren: Der sogenannte Mythos beschreibt meines Erachtens den immer wieder ausgesprochenen Gedanken, dass eine größere Einheit besser auf die Notwendigkeiten reagieren könne, weil es gemeinsame Strukturen, einen besseren Überblick, ein größeres Gewicht gegenüber der Stadt Hamburg beispielsweise und daraus folgend Synergieeffekte geben würde. Am Beispiel der Immobilien wird nun deutlich, dass Größe allein keine für alle befriedigenden Lösungen herbeiführen können wird. Die zu verteilenden Finanzmittel werden dadurch nicht mehr. Aber die Größe macht offensichtlich andere Steuerungs- und Leitungsstrukturen notwendig. Das damit verbundene Dilemma wurde nicht zuletzt bei den Modalitäten zur Synodenwahl deutlich.