13 Null ist nicht Null

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13 Null ist nicht Null


Null ist nicht Null: Ich habe dir in diese schematische Darstellung auch die historischen Daten eingefügt, da immer wieder die Frage gestellt wird, wann Jesus denn ganz genau geboren worden ist. Diese historischen Daten könnten Anhaltspunkte dafür sein. Aber schon beim ersten Hinsehen wird klar, dass diese nicht übereinstimmen können.


Folgen wir dem Matthäusevangelium, spielt Herodes der Große eine wichtige Rolle. Er regierte nun aber von 37-4 v. Chr. Sollte Jesus in dessen Regierungszeit geboren worden sein, müsste er vor dem Jahr Null zur Welt gekommen sein. Auch der bei Matthäus beschriebene Stern gibt keinen genauen Aufschluss. Um die Zeitenwende hat es ganz verschiedene Auffälligkeiten am Himmel gegeben. Die Erklärungsversuche gehen von einem Halley’schen Kometen über andere Planetenerscheinungen bis hin zu einer sogenannten Konjunktion. Diese hatte schon Johannes Keppler als Möglichkeit benannt. Im Hintergrund einer solchen Deutung steht, dass Sternen und Sternenbildern symbolischer Gehalt zugewiesen worden war. So steht der Jupiter in Mesopotamien als „Königsstern“ für Könige oder die Geburt eines neuen Königs. Saturn war der Stern, der die Israeliten bzw. das Judentum darstellte. Und das Sternbild „Fische“ symbolisierte das Land Israel bzw. Palästina. Tatsächlich hat es wohl im Jahre 7 v.Chr. eine solche Konjunktion gegeben. Nach den Angaben des Matthäus wäre Jesus also wahrscheinlich ca. 6 Jahre vor dem Jahr Null geboren worden.


Dem steht die Erzählung des Lukasevangeliums entgegen. Dort wird der römische Kaiser Augustus als Befehlsgeber einer reichsweiten Volkszählung benannt. Augustus lebte von 63 v.- 14 n. Chr. Nun hat es eine reichsweite Erhebung (Zensus genannt) wohl aber erst um 74 n. Chr. gegeben. Lokale (örtliche) Zählungen sind schon vorher durchgeführt worden. Der im Lukasevangelium benannte Quirinius hat wohl tatsächlich eine solche lokale Zählung in Judäa veranlasst. Problem dabei ist, dass er erst 6 n. Chr. Statthalter in Syrien geworden war und die Zählung wohl erst im Jahre 6 n. Chr. durchgeführt worden ist. Laut Lukas wäre Jesus dann wohl um 6 n. Chr. geboren worden. Du siehst, die Angaben lassen sich nicht harmonisieren. Die Bestimmung des genauen Geburtsjahres Jesu ist nicht möglich! Null ist also nicht Null sondern plus minus 6 oder 7. Wenn nicht mehr!


Nazareth oder Bethlehem? Ähnlich ist es mit der Bestimmung des Geburtsortes Jesu. Beide – Matthäus- und Lukasevangelium – nennen Bethlehem als Geburtsort. Hier wird aber auch bei beiden die theologische Tendenz deutlich, Jesus in Kontinuität mit König David zu sehen und ihn somit als den Messias – den Christus - schon von Geburt an zu charakterisieren. In den beiden anderen Evangelien – Markus und Johannes – ist von einem Geburtsort Bethlehem nichts bekannt. Hier wird die Herkunft Jesu aus Nazareth vorausgesetzt, so dass Jesus auch „Jesus aus Nazareth“ oder „der Nazarener“ (Mk.1,24) genannt wird. Gerade im Johannesevangelium wird die Herkunft kritisch wahrgenommen: „Was kann aus Nazareth schon gutes kommen?“ (Joh.1,46) Und gerade wegen seiner Herkunft aus Nazareth und eben nicht aus Bethlehem wird die Messianität Jesu in Frage gestellt:


„Andere sprachen: Er ist der Christus. Wieder andere sprachen: Soll der Christus aus Galiläa kommen? Sagt nicht die Schrift: Aus dem Geschlecht Davids und aus dem Ort Bethlehem, wo David war, soll der Christus kommen? So entstand Zwietracht im Volk.“ (Joh.7,41-43)


Du siehst, schon zu frühchristlichen (biblischen) Zeiten war nicht zu klären, wo Jesus wirklich geboren worden ist. Mit der historisch-kritischen Fragestellung ist die Bedeutung der Geburtslegenden Jesu ganz offensichtlich nicht zu umfassen oder zu hinterfragen!


Das Christfest und die Geburt Jesu werden auch heutzutage groß als „Weihnachten“ gefeiert. Meist ist der eigentliche christliche Hintergrund aber nicht mehr wirklich bewusst. Und wenn ich die neutestamentlichen Geburtsgeschichte(n) mit Jugendlichen ansehe, wird zuallererst immer die Frage gestellt: „Wie kann das sein? Maria war doch Jungfrau!“ Das Wort Jungfrau wird dann meist schon etwas zurückhaltender ausgesprochen, weil damit das Thema der Sexualität berührt ist, und das gerade im pubertierenden Jugendalter mit Scham verbunden ist.


Die Infragestellung der Jungfräulichkeit wird eigentlich immer formuliert. Auch und gerade vom Erwachsenen! Damit kommt zum Ausdruck, dass Glauben gegen unsere Erfahrung steht. Wir wissen, wie Menschen gezeugt werden und dass dazu nun mal die Verbindung von Mann und Frau – der Geschlechtsakt – gehört. Glauben ist nicht wissen, oder? An dieser Stelle steht das Wissen dem Glauben scheinbar wirklich im Wege. Und es ist nicht damit getan, die Jungfräulichkeit dogmatisch festzuschreiben und im Glaubensbekenntnis mit zu sprechen, wenn unser Erfahrungswissen sich dagegen sperrt. Natürlich kann ich das dann mythologisch – symbolisch – erklären und darstellen, dass damit die Besonderheit Jesu als Sohn Gottes zum Ausdruck gebracht werden soll. Aber wirklich befriedigend scheint eine solche Erklärung nicht zu sein.


Andererseits ist es verwunderlich, dass gerade zu Weihnachten alte Legenden in den Hintergrund und neue an deren Stelle treten. Da gibt es Weihnachtsmänner allerorten und in Hülle und Fülle. Christkinder in Hochglanz. Weihnachtsbeleuchtung. Da flattern Engel durch die Gegend, da gibt es vermehrt den verklärenden Rückblick in die eigene Kinderzeit, in das, was im Nachhinein mit eigener Ursprünglichkeit, mit dem Gefühl von Geborgenheit und Wärme, mit Halt und Liebe, mit angenommen sein verbunden wird.


Offensichtlich wird das legendarisch Alte hier abgelehnt. Es scheint nicht mehr plausibel zu sein. Vielleicht gelingt es uns gegenwärtigen, rationalen, technischen und modernen Menschen aber auch nicht mehr, den - im wahrsten Sinne des Wortes - anspruchsvollen Mythos als Deutung des eigenen Lebens – der eigenen Existenz - zu verstehen.


„Mach ́s wie Gott, werd ́ Mensch!“


war der zweite Spruch auf unserem Schulklo, den ich auswendig behalten habe. Daraus klingt der Anspruch, es Gott gleich zu tun und Mensch zu werden. Das ist anspruchsvoll! Wir werden immer wieder neu damit konfrontiert, dass es in unserer Welt eben immer wieder unmenschlich zugeht, dass Menschen sich gegenseitig das Menschsein absprechen, sich über andere erheben und gleichsam als göttlich empfinden. In so einer Weltsituation hat Gott keinen wirklichen Platz. Da ist die gute Botschaft – das Evangelium - der Menschwerdung Gottes für viele eben auch mit Kritik am eigenen Handeln verbunden. Da wird Gott unbequem, weil er plötzlich unvermittelt nah erscheint. Kein Wunder, dass Herodes da schreckliche Pläne hegt und alles ihm Mögliche veranlasst, diesen als Mensch geborenen Gott schnell wieder aus der Welt zu schaffen! Aber so schnell geht das eben nicht.


Mit dieser Geburt ist der Menschheit ein Zeichen der Menschlichkeit gesetzt! Und damit fest verbunden der Anspruch, es Gott gleichzutun. Gerade zu Weihnachten scheinen wir das „alle Jahre wieder“ zu empfinden und uns dem ein klitzekleines Stück zu öffnen.


Und vielleicht ist es auch immer wieder notwendig, - wie die Weisen - die Zeichen der Zeit zu erkennen, loszugehen und neugierig - wie die Hirten - zu sehen, was da geschehen ist und auf uns zukommt.