14 Martin Walser im SPIEGEL

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14 Martin Walser im SPIEGEL


In diesem Zusammenhang möchte ich aus einem Interview zitieren, dass Martin Walser, ein deutscher Schriftsteller, dem SPIEGEL am Jahresende 2012 gegeben hat. Darin heißt es unter anderem:


Walser: Ich bin da fundamentalökumenisch! Das ist doch klar. Bitte, bitte, bitte, das müssen Sie an meinen drei Büchern erkennen: „Muttersohn“, „Rechtfertigung“, „Dreizehntes Kapitel“. Einmal ist meine Heldin eine protestantische Theologin, ein anderes Mal ist mein Held katholisch. Ich möchte den drei Büchern übrigens einen Namen geben: „Trilogie der Sehnsucht“.


SPIEGEL: Das wissen wir ja noch gar nicht.


Walser: Das habe ich mir auch gestern erst ausgedacht.


SPIEGEL: Was ist das für eine Sehnsucht? Die Sehnsucht nach der Kirche ihrer Kindheit?


Walser: In mir wirkt da sicher der Satz von Luther nach, dass eine Sehnsucht, wenn sie nur groß genug ist, schon nach Erfüllung schmeckt. Mir ist deutlich geworden die Rolle der Sehnsucht nach Schönheit. Denken Sie an das Weihnachtsevangelium: Ich halte das für die schönste, beste Geschichte, die je von Menschen ersonnen und formuliert wurde.


SPIEGEL: Was ist der schönste Satz, der schönste Moment der Weihnachtsgeschichte?


Walser: Es geht nicht um den einen Satz, nicht um den einen Moment! Wenn man etwas heraushebt, wird es verkleinert und sentimental. Es geht um das Ganze, inklusive der Könige – verstehen Sie? Die Geschichte besteht ja nicht aus Textbrillanz, sondern aus Ereignisbrillianz. Jahr für Jahr für Jahr habe ich das Weihnachtsevangelium gehört, und jedes Mal war diese Geschichte unendlich schön!


SPIEGEL: Durch die ständige Wiederholung wurde die Weihnachtsgeschichte zur Grundlage allen Erzählens. Aus „Es begab sich aber zu der Zeit“ wurde das „Es war einmal“ des Märchens.


Walser: Ja, es ist zutiefst verwandt mit Grimms Hausmärchen. Nur – jetzt kommt der Unterschied: In Grimms Märchen geht es weniger friedlich zu. Und dieser Mut zur Verkündigung muss doch einmal da gewesen sein: Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen. Für mich ist das Weihnachtsevangelium der wichtigste Text, der verfasst wurde. Dann gibt es noch das Weihnachtsoratorium von Bach und die Krippengemälde von Caravaggio – dieses ganze allerhöchste Brimborium. Ich sage: Es ist unsere höchste Fähigkeit, etwas schön zu finden. Feinlein, meine Figur in „Muttersohn“, sagt: „Der Glaube macht die Welt schöner, als sie ist.“


Quelle: https://www.spiegel.de/kultur/das-allerhoechste-brimborium