Der Dom in Hamburg
Die letzte Predigt im Dom hielt Kandidat >Peter August Lossau, der später in Moorfleet Nachfolger von >Pastor Lütkens wurde.
„Die Liquidation des Doms
Im protestantischen Hamburg sahen sich die Dinge weniger dramatisch an. Die lutherischen Domherren waren in erster Linie Pfründeninhaber, und seit nicht einmal mehr die Stelle des Dompredigers besetzt war, konnte die Säkularisation kaum mehr als tiefer Einschnitt empfunden werden. Selbst der Beschluss, den Dom abzureißen, führte zu keinen kirchlichen Protesten.
1804, am 3. Sonntag nach Trinitatis, hielt der Theologiekandidat Peter August Lossau vor einer Schar letzter Besucher den Abschiedsgottesdienst. Die „Hamburgischen Neuen Nachrichten“ berichteten von Rührung und Erbauung unter den Zuhörern; überliefert ist, die Predigt habe mit einer kurzgedrängten Geschichte des Doms geschlossen.
Im Rat bestand Klarheit darüber, dass bei einem Abbruch des Kirchen- komplexes zwei Bedingungen zu erfüllen waren: Die Versorgungsansprüche der Domherren waren finanziell abzulösen und die Gebeine der im Dom Bestatteten mussten exhumiert werden. Das erste Erfordernis ließ sich ohne Verzug regeln, indem jedem der zwölf Domherren lebenslang eine auskömmliche Rente zugesichert wurde.
Weniger rasch war die „Translocierung der Begräbnisse“ zu bewerkstelligen. Dringend abzuraten sei, so der vom Rat bestellte Gutachter, bereits vor der Exhumierung mit der Abtragung des Doms zu beginnen:
Der herunterfallende Bauschutt würde manchen Leichenstein zerschmettern und die darunter stehenden Särge zertrümmern. Welcher moralische Verstoß (man erlaube mir dieses auszuführen) würde dadurch in unseren hochkultivierten Zeiten entstehen! Die Gebeine der verstorbenen Anverwandten und Freunde sind bei allen Menschenklassen, wenigstens bei den mehrsten, noch immer (wie die Erfahrung lehrt) in hochgeehrtem Andenken. Ihre Mißhandlung würde sehr üble Sensation, wohl gar Erbitterung erzeugen.
Der Rat verschloss sich solchen Argumenten nicht und so wurde denn viel Mühe darauf verwandt, in Hinsicht der Toten unnötiges Ärgernis zu vermeiden. Man wartete zu, bis auch die letzte Grabkammer geleert war. Insgesamt, so schätzte der Kämmereiverordnete Paul Amsinck nach Abschluss der Exhumierungsaktion, seien die Überreste von 25.000 Leichen geborgen worden. Soweit nicht auf besonderen Wunsch Einzelüberführungen stattgefunden hatten, waren die Gebeine in ca. 300 Fässern auf Karren zum Michaelisfriedhof vor dem Dammtor verbracht und dort neu bestattet worden.21 Der Pietät war damit Genüge getan.
Im Mai 1805 war es so weit. Zuerst wurden die Glocken heruntergelassen. Anschließend begann man, Stück um Stück zuerst die Turmspitze und dann das Mauerwerk des Doms abzutragen. Von einer Sprengung hatte man im Interesse der öffentlichen Sicherheit Abstand genommen. Parallel zu den fortschreitenden Abbrucharbeiten wurde in den folgenden Monaten regelmäßig über Termine informiert, zu denen noch verwertbare Materialien und Gegenstände ausgeboten wurden. So war, um nur ein Beispiel her- auszugreifen, im Sommer 1805 in der Zeitung zu lesen:
Den 11. Juli des Vormittags um 10 Uhr soll in der ehemaligen Domkirche öffentlich an die Meistbietenden verkauft werden: einige marmorne und hölzerne Figuren, marmorne Säulen mit Kapitälern und Bruchstücke von Gesimse, gemaltes Fensterglas, ein gutes brauchbares Dielen Comtoir, Tische, Schränke, das Holz vom Chorlektor und Treppe und Gestühl, unterschiedliche Totenbahren, etwas altes Eichen Holz, nebst einigen Grabsteinen und sonstige Sachen mehr. Acht Tage vor dem Verkauf kann alles zum Besehen angewiesen werden, wenn man sich in der Turmtüre meldet.“
Quelle: Arbeiten zur Kirchengeschichte Hamburgs Herausgegeben von Rainer Hering · Inge Mager · Barbara Müller · Johann Anselm Steiger Band 27, Das 19. Jahrhundert Hamburgische Kirchengeschichte in Aufsätzen, Teil 4 Herausgegeben von Inge Mager, Hamburg University Press Verlag der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg Carl von Ossietzky, 2013, Seite 132f